Einen Tag nach der Demonstration

Gestern ging in Berlin die dritte Auflage der Demo “Freiheit statt Angst” in Berlin zu Ende – wieder initiiert vom Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung. Mit dabei waren Vertreter aus verschiedenen politischen Lagern, dem CCC, den Hedonisten, der Gewerkschaft ver.di, dem Datenschutzverein FoeBuD, Mitgliedern des AK Vorrat selbst und vielen anderen. Insgesamt rechnete der Arbeitskreis mit etwa 5000 bis 8000 Teilnehmern, Zählungen zufolge kamen wohl über 15.000. Eine gewaltige Steigerung, bedenkt man, dass die erste Demo im Jahr 2006 knapp 200 Teilnehmer zählte und die zweite im Frühjahr, in Frankfurt am Main, etwa 2500. Für mich ein gutes Anzeichen, dass immer mehr Menschen vor dem fortschreitenden Abbau von Freiheiten und der zunehmenden Überwachung nicht länger die Augen verschließen.

Genau so bunt wie die Teilnehmer waren auch die Plakate, die man lesen konnte. Von den Klassikern “Stoppt den Überwachungswahn” (das eigenete sich auch gut als Parole) oder “Stop 1984” gab es auch viele innovative Ideen – bspw. einen Banner mit Mielke-Kopf (“Stasi 1.0”), der “berühmten” Schäublone (“Stasi 2.0”) und der Fortsetzung “Stasi 3.0” noch ohne Kopf. Die ketzerische Frage “Wollt ihr die totale Überwachung?” war sicherlich nicht jedermanns Sache – die Banneraufschrift “Abhören? Zuhören!” dagegen schlug nachdenkliche Töne an. Auch nett: Der Schriftzug “Sicherheitslücke”, aufgemalt auf dem Straßenbelag an einer Stelle, an der ein durchgezogener Trennstreifen eine Lücke aufwies. Eine ausführliche Bilderreihe gibt es direkt vom Arbeitskreis. Auch unsere Ortsgruppe hat einige sehenswerte Fotos geschossen.

Die Demo war durch und durch gut organisiert. Nach der Ansprache durch die Organisatoren sollte eigentlich der Marsch in Richtung Alexanderplatz starten, jedoch schien die Polizei vor der Mobilisierung des Zuges etliche Personen einer Leibesvisite zu unterziehen. Einige Mitglieder des “schwarzen Blocks” weigerten sich und es kam zu Rangeleien auf Höhe des Hotel Adlon, bei der wohl einige Stühle zu Bruch gingen.

Auch später kam es zu Auseinandersetzungen zwischen den Linksradikalen und der Polizei, beide waren leider weniger auf Deeskalation, als auf Provokation aus. Die Linksradikalen ignorierten das Vermummungsverbot und schotteten ihren Block mit langen Seitentransparenten ab, die Polizei schüchterte schon im Vorfeld der Demo selbst in den liberalen Bereichen mit massiven Polizeiaufgebot (Vollschutz inklusive Helm), Blockmitläufern, kompletten Kameraaufzeichnungen (die ausdrücklich verboten waren) und Hubschrauberüberwachung ein.

So wurde leider auch durch das Katz- und Mausspiel der beiden Gruppierungen die ansonsten komplett friedlich ablaufende Demonstration von über 15.000 Menschen gestört und auf Höhe der Friedrichstraße nach ca. 4km abgebrochen. Das tragische daran ist nun, dass ebenjene Ereignisse auch in den meisten Mainstream-Medien die eigentliche Berichterstattung über die Ziele und der immensen Beteiligung überschattete.
Besonders enttäuscht hat mich in diesem Zusammenhang die Berichterstattung der öffentlich-rechtlichen Sender. Die ARD zeigte am Samstagabend in der Tagesschau keinerlei Bilder der Demo, in den Tagesthemen ab 22:50 Uhr wurde lediglich ein etwa 20-sekündiger Ausschnitt im Kontext der geplanten Einführung des neuen Biometrie-verseuchten Personalausweises gezeigt. Für den bayrischen Innenminister Beckstein wurde dann aber doch noch Zeit gefunden, im selben Kontext den BürgerInnen ins Gewissen zu reden:

“Der anständige Bürger muss auch ein Interesse haben, dass das Dokument eine eindeutige Identifizierung ermöglicht, und das ist mit diesem elektronischen Bausteinen ‘digitales Bild’, ‘digitaler Fingerabdruck’ möglich.

(Quelle: Tagesthemen vom 22.09.2007, MAZ ab ca. 00:03:53)

Noch schlimmer war die Berichterstattung des ZDF – gerade im Internet. Der heute.de-Bericht verlautbart nicht nur falsche Zahlen, sondern eröffnet medienwirksam auch mit dem Untertitel “Acht Festnahmen – Polizist verletzt”. Zum Vergleich ein Artikel auf dem Nachrichtenportal heise online.

Doch auch die Privatsender waren nicht besser. EuroNews zeigte eine “Zusammenfassung” der Demo unter der Kategorie “No Comment” – auch hier wurde mehrheitlich auf die Rangeleien und den Polizeieinsatz gehalten.

Sicherlich muss die Medienberichterstattung für die nächste Demonstration auch von der Organisation noch besser gesteuert werden. Auf der Mailingliste des AK Vorratsdatenspeicherung wird deshalb schon die Erstellung eines “Demonstrationsleitfaden” unter freier Lizenz diskutiert, die bei der nächsten Demo etwa regeln soll, wann und wie Material an die verschiedenen Nachrichtenagenturen bzw. Presseorgane weitergegeben werden soll. Wünschenswert wären solche Informationen etwa kurz nach den jeweiligen Kundgebungen bzw. dem Höhepunkt am Ende der Demo mit einem kurzen Resümé der Veranstalter.

Insgesamt ist die Demonstration als voller Erfolg einzustufen – und ich persönlich hoffe auf eine weitere Neuauflage der Demo im Frühjahr nächsten Jahres, dann vielleicht schon mit 50.000 Teilnehmern…

2 thoughts on “Einen Tag nach der Demonstration”

  1. du sprichst selbst davon, dass die demo von der polizei trotz verbot gefilmt wurde. Deswegen ist es legitim dieser Überwachung zu entgehen und sich zu vermummen.

    wer sich nicht bewegt, der spürt auch seine fesseln nicht.

  2. Es ist eben nicht legitim, das wird bereits im Versammlungsgesetz geregelt. Nachzulesen ist hier unter § 17 a, Abschnitt 2, Satz 1 und 2:

    (2) Es ist auch verboten,

    1. an derartigen Veranstaltungen in einer Aufmachung, die geeignet und den Umständen nach darauf gerichtet ist, die Feststellung der Identität zu verhindern, teilzunehmen oder den Weg zu derartigen Veranstaltungen in einer solchen Aufmachung zurückzulegen,

    2. bei derartigen Veranstaltungen oder auf dem Weg dorthin Gegenstände mit sich zu führen, die geeignet und den Umständen nach dazu bestimmt sind, die Feststellung der Identität zu verhindern.

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